Hör doch auf zu denken, sagen sie mir, du bist ein Hase, bestenfalls ein Hase, mit Nachsicht aller Taxen, gut, dann bin ich meinetwegen ein Hase, aber das gibt euch noch lange nicht das Recht. Dieses rosa Näschen, sagen sie mir, das geht einfach nicht, kein Wunder, dass das Kind. Das Kind, sage ich euch, dieses Kind war einfach zu dumm für mich. So schaut es aus. Natürlich, jetzt wird es so tun als ob und schreien und heulen, und ihr nehmt es ihm ab und redet von Billigspielzeug und Kitsch und du mochtest diesem Hasen ja eh nicht, schau mal dort dein liebes Bärli, scheiß auf das liebe Bärli, und überhaupt, Genossen, ob meine Nase rosa ist oder nicht, das ist eine rein technische Frage, das hat nichts mit Intelligenz, Charakter und kritischem Bewusstsein zu tun.

Verlorengegangen, naja, runtergeschmissen trifft es eher, aber wer sagt euch, dass ich nicht gesprungen bin. Ich, dieser sogenannte Hase. Auf meinen sogenannten seidigen Pfoten, ganz leicht, von einem Leben ins andere. Nein, ich höre nicht auf zu denken, auch wenn es euch auf die Nerven geht. Wenn ihr mich verhaften wollt, dann verhaftet mich, ich lache darüber. Schaut, wie ich mit den Ohren flattere. Ich bemühe mich.

Nun gut, ich sitze hier auf diesem Einkaufswagen und höre euch zu.

Jemand geht nah an mir vorbei, ein Mensch, einer von euch Menschen, ein sogenannter Mann, mit haarigen nackten Armen, und ich muss seine Tätowierungen lesen und interpretieren und muss denken: was ist unter dieser Haut. Das interessiert uns sogenannte Hasen. Es befremdet uns, aber es interessiert uns auch. Was ist unter der haarigen zerstochenen Haut dieses Typen, dieses sogenannten Mannes, der sich offenbar sein Geburtsdatum in römischen Ziffern auf den Arm tätowieren hat lassen. Noch so einer, der geboren ist und auch noch stolz darauf.

Aber in ihm drin? Ihr wollt es euch nicht vorstellen. Weder die Leere, diese ungeheure Leere, noch das andere.

Ja, und du, sagen sie mir, du mit deinen Lesekenntnissen und deinem kritischen Bewusstsein bist nur ein Haufen Plüsch und Kunststoff made in China, etwas Wolliges mit einem Anschein von Weichheit, du bist nichts als purer Schein und Vortäuschung, es geschähe mir schon recht, sagen sie mir, wenn ich im Dreck lande mit meinem rosa Näschen und den angenähten Schlappohren und dem kritischen Bewusstsein, und es habe keine Bedeutung, was wisst denn ihr. Ein Haufen Plüsch. Was ich alles aufgesaugt habe, in mich eingesaugt, übervoll, was ich verarbeitet habe, zernagt und zermalmt, umgewandelt, ach, umgewandelt in etwas, das ihr euch gar nicht vorstellen könnt.

Was wisst ihr denn von der Freiheit, ihr Stimmen, die ihr auf mich einredet, ich habe die Freiheit gefunden, wenn auch nur in einem dieser blöden Supermärkte, in denen die stoffwechselabhängigen Wesen andauernd ihr Wägelchen anfüllen, wie Automaten schieben sie ihr Wägelchen durch die Gänge und stopfen es voll mit dem Zeug, mit dem sie sich vollstopfen, um mich ist ein weiter offener Raum. Ihr könntet mich beneiden, ich habe das alles hinter mir gelassen, schaue nach vorne, nach oben, an allen vorbei und durch alle hindurch, das geht. Ja, natürlich ist es auch einfach traurig, auf einem dieser depperten Einkaufswagen herumzusitzen, Spar, Nah und frisch, Hofer, Lidl, Denns, Billa, Plus und Minus, Pflanzilla und Wurstico, es ist demütigend. Als hätte ich nichts Besseres zu tun. Und das blöde Kind sitzt zu Hause, kuschelt mit dem lieben Bärli, hat mich längst vergessen, wird langsam erwachsen, schmeißt das liebe Bärli in eine finstere Kiste und verräumt die Kiste in eine Ecke im Keller. In sich hineinstopfen kann man Hasi und Bärli ja nicht, wir sind schlecht verdaulich.

Gebt doch zu, dass ihr nur darauf wartet, es zu sehen. Den Moment, in dem ich mich in Bewegung setze, unter Anspannung aller Fasern meines Körpers, langsam, kaum merklich, mich ganz selbstständig bewege. Vorsichtig, dann immer entschlossener. Der Moment, in dem ich den Sprung wage. Und ihr dürft mir zuschauen, ungläubig staunend, den Gefallen soll ich euch machen, nicht wahr. Ha.

Soll ich wirklich.

Ja. Also. Dann. Hopp. Hopp. Ho –  

Jetzt heben sie mich hoch, diese Leute. Eine große Hand. Gut, verhaftet mich. Aber es sind nicht einmal Polizisten, vielleicht sind es Polizisten in Zivil, aber sie sehen aus wie alles andere als Polizisten in Zivil. Ein Dicker in orangenem Overall, der nach Tabak riecht, er hält mich mit zwei Fingern an den Ohren. So wenig bin ich euch wert. Es hört mir keiner zu. Ich denke und denke und denke, jeder wünscht sich, dass ich endlich damit aufhöre.

Ach, gebt mir einfach ein neues Kind, haltet den Mund, dann halte ich auch den Mund und tue wieder so als ob. Ein kleines, halbwegs weiches, sabberndes Kind, das mich als Kopfkissen annimmt. Es wird doch dauernd jemand geboren. Kind auf Kind kann ich erwachsen werden sehen und in eurer sogenannten Wirklichkeit verschwinden, in eurer Stoffwechsel-Welt aus Supermärkten, Restaurants, Betten und Toiletten und Büros, während ich bleibe. In einer Kiste im Keller, vergessen im Supermarkt, in der Tauschbörse, im Mülleimer, meingott, ein Hase. Bestenfalls ein Hase, mit Nachsicht aller Taxen, ein Haufen Kunststoff made in China, weich, weiß, dann schon ein wenig grau, mit rosa Nase. Ich bleibe. Das Bärli bei euch zu Hause bleibt. Alle anderen. Ihr werdet schon sehen, was passiert, wenn wir uns zu Wort melden. Wenn wir laut werden und  aufstehen und ein Leuchten da sein wird. Ihr könnt es euch nicht vorstellen, dieses Leuchten. Bitteschön.